Arno Boldt

Oświęcim oder Aus einem anderen deutschen Leben

Oświęcim oder Aus einem anderen deutschen Leben

Mit Kopf und Rücken an der Wand, den Wind im Flaumenbart,
so ruhe ich im Schatten hier und denke an die Fahrt:
Der Reisebus war zwangsbesetzt mit vierundsechzig Kindern.
Wir spielten Poker mehrheitlich – es ließ sich nicht verhindern.
Der Hitze wegen stöhnten wir und tranken eifrig Dosenbier,
das kollektive Leid zu lindern.

Sobald wir hielten, rauchten wir. Das lag uns im Gemüt.
Die Asche fiel, doch nebenan war Lidl frisch erblüht.
Es ragte dort wie selbstverständlich vor dem Arbeitslager
mit weißem Latz, fast unschuldig. Es schien uns etwas hager.
Drum stopften wir in diesen Schrein die Euro pietätlos rein.
Besoffen standen wir nie grader.

Das Tor lud zum Durchschreiten ein. Wir ließen uns nicht bitten.
Geschichtszerschossen unser Haupt, benebelt von den Schritten,
so staksten wir die Hölle ab, die lieblich vor uns grünte;
und niemand schaute sich uns an, ob einer von uns mimte.
Klamotten wurden Uniform, Marotten sprossen uns konform:
Wir ahnten kaum, was uns da bühnte.

Die Ordnung war vorherbestimmt; im Sinn das Kapital.
Befehle schossen übern Hof. Wir dachten im Quartal.
Der Paule aber fiel uns auf; ihm fehlte unser Streben.
Er war der größte Lump im Land. Es ließ sich nicht beheben.
Wir löschten ihn mit heißem Sprit. Es setzte dabei Schlag und Tritt.
Pardon ward niemandem gegeben!

Wir aschten ihn dann Zug um Zug – die Rhythmik unsrer Messen.
Vereinzelt zogen Schemen um die dürr bekränzten Essen.
Ein Vogelflug nahm seinen Lauf, der Wind kam müd und trunken auf.
Geschichte bleibt bei seinen Bässen.

Ich lehne noch an dieser Wand, die Hand beginnt zu zittern;
mein Untergrund hat seine Fährte –

ich lass ihn wütend wittern.